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Die evangelische Kirche in Reisen

Die Errichtungsurkunde für die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Reisen wurde von der Kirchenleitung der EKHN zum 1. Januar 1961 erstellt. Sie ist als Tochtergemeinde aus der ev.-luth. Kirchengemeinde Birkenau hervorgegangen.

 

Zu dem Kirchspiel gehören neben Reisen mit Schimbach auch die Orte Hornbach, Nieder- und Ober-Mumbach, Geisenbach und Rohrbach. Vom 1. April 1963 an gehörte auch Nieder-Liebersbach dazu. Durch erneute Änderungen des Pfarrbezirks kehrte der Ort aber am 1. Oktober 1982 wieder zu Birkenau zurück. Die Pfarramtliche Verwaltung erfolgte jedoch noch bis zum 31. März 1983, also genau 20 Jahre lang, durch die Pfarrei Reisen. Im Tausch dafür wurde der Birkenauer Ortsteil Herrenwiese neu in die Kirchengemeinde Reisen aufgenommen.

Eine eigene Kirche hätte sich die junge Gemeinde nicht leisten können, ohne die große Opferbereitschaft der gesamten Bevölkerung, sowohl durch Geldspenden, als auch durch freiwillige Arbeitseinsätze am Bau. 

Die Pläne für den Kirchenbau entwarf das Architekturbüro Hauss und Richter aus Heidelberg. Dabei wurde darauf geachtet, dass möglichst viele Arbeiten von freiwilligen Helfern ausgeführt werden konnten. Von insgesamt 148 Personen wurde der gesamte Rohbau erstellt. Geleitet wurden die Arbeiten von dem Maurerpolier Adam Geiß, mit großer Unterstützung durch Bürgermeister Paul Birkle.

Erst mit der Konstruktion des Dachstuhles durch das Zimmergeschäft Schaffert aus Weinheim begann die Arbeit der Handwerker am Bau.

Die Gestaltung des Daches in Zeltform soll symbolisch hinweisen auf die Vorläufigkeit alles Irdischen, aber auch auf das tröstliche Psalmwort: „ Du birgst mich im Schutz deines Zeltes“, Psalm 27.5. 

Das Richtfest konnte am 12. Oktober 1963 gefeiert werden. Es dauerte dann noch knappe zwei Jahre bis zur Fertigstellung der Kirche. Mittlerweile wurde 1964 das Pfarrhaus, ebenfalls nach der Planung des Architekturbüros Hauss und Richter erbaut, jedoch nicht in Eigenhilfe, sondern durch das Baugeschäft Erich Böhm aus Hornbach.

Die feierliche Einweihung der Kirche mit vielen Gästen und den Pfarrern aus der ganzen Umgebung war am 12. September 1965. Der nächste Höhepunkt für die Kirchengemeinde folgte mit der Glockenweihe am 19. Dezember, dem 4. Adventssonntag 1965. Die vier Glocken waren am 29. November 1965 in der Glockengießerei Rinker in Sinn im Dillkreis gegossen worden. 

Die große“ fis“-Glocke wiegt 773 kg und trägt die Aufschrift „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“, Hebräer 13,8. Die zweite Glocke mit dem Ton „a“ wiegt 541 kg und hat die Inschrift: „Alle eure Sorge werfet auf Ihn, denn Er sorget für euch“, 1. Petrus 5,7. Die dritte Glocke „h“ wiegt 336 kg und will rufen: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist“ Jakobus 5,16. Die kleinste Glocke ist 238 kg schwer. Im Ton „d“ klingend erinnert sie uns: „Sehet welche Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen“, 1. Johannes 3,1.

 

Den Innenraum der Kirche dominiert das große Hängekreuz über dem Altar, ein Werk des Bildhauers und Malers Klaus Arnold. Er war Professor an der Kunstakademie in Karlsruhe. 

In den Taufstein aus Sichtbeton sind insgesamt 64 rechteckige Emaille-Blättchen eingelassen, die eigens dafür im Werkunterricht der Martin-Luther-Schule in Rimbach gegossen wurden. Der Deckel der Taufschale, ein Werk des Gold- und Silberschmiede-Ateliers Cornelius Hoogenboom aus Darmstadt, ist als Schiff aus Silber gestaltet, mit einer Mastspitze aus Bergkristall. Das Schiff ist ein uraltes Symbol für die Kirche, wie es auch in dem Adventslied besungen wird: „Es kommt ein Schiff geladen bis an sein höchsten Bord, trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewigs Wort“, EKG Nr. 8).

Die bleigefassten Buntglasfenster im Eingang und in dem kunstvoll gemauerten Tauffenster, sowie das Lichtband welches die Kirche umgibt, wurden nach Entwürfen von Alice Richter, der Ehefrau des Architekten Hans Richter, in der Werkstätte von Walter Koch in Mannheim hergestellt.

Als letzter Teil der Ausstattung der Kirche wurde am 9. Januar 1969 die Orgel geliefert. Sie war zwar bereits am 30. Juli 1965 bei der Orgelbaufirma Weigle in Echterdingen bestellt worden, aber sie hatte dreieinhalb Jahre Lieferzeit. Nach einigen Jahren gab es aber ernstzunehmende Probleme mit dem Instrument: Es hatte einen sogenannten Freipfeifenprospekt, d. h. die Orgelpfeifen wurden nicht von einem schützenden Gehäuse umschlossen, und es war auch klimatisch ungünstig aufgestellt. Dies führte zur Verschmutzung im Inneren und zu einer witterungsbedingten Verstimmung. Über die Beseitigung der Mängel wurden verschiedene Gutachten eingeholt. Der Orgelbaumeister Andreas M. Ott und der Orgelsachverständige der EKHN Dr. Martin Balz rieten aus Kostengründen von einem Umbau und der Versetzung der Orgel ab. Der Gemeinde wurde ihr Verkauf empfohlen und zur Anschaffung eines neuen Instrumentes geraten.

Zur Finanzierung dieses Großprojektes musste aber noch mehrere Jahre gespart werden. Auf Initiative des Chores mit seiner Vorsitzenden Gisela Eckert wurde in vielfältigen Aktivitäten – Orgelbasaren, Kuchenverkauf und sonstigen Spendenaktionen – Mark um Mark angesammelt. Im Jahr 1992 konnte der Auftrag zum Bau der neuen Orgel an die Firma Andreas M. Ott in Bensheim vergeben, und die alte Orgel 1993 verkauft werden. Sie ging nach Gießen, wo sie in einer Friedhofskapelle weiterhin ihren Dienst versieht. Drei Jahre lang begleitete eine Heimorgel den Gemeindegesang.

Im Herbst 1996 wurde die neue Orgel geliefert und eingebaut. In den 14 Registern stehen genau 900 Pfeifen aus Zinn-Blei-Legierung und Hölzern. Der feierliche Einweihungsgottesdienst fand am Sonntag, 22. Dezember 1996 statt.

Am Abend des gleichen Tages krönte der Kirchenchor das 20. Jubiläumsjahr seines Bestehens mit einem großen Konzert. 

Im Laufe von über 50 Jahren wurden an dem Kirchengebäude zahlreiche große Renovierungsarbeiten durchgeführt. Ein Plattenweg im oberen Gartenteil ermöglicht auch Behinderten ein stufenloses Erreichen des Kirchenraumes. Ebenso gut erreichbar sind im Untergeschoss die Gemeinderäume und das Pfarrbüro.

Mögen auch künftige Generationen die Kirche in ihr Leben so einbeziehen, wie der Reisener Heimatforscher Klaus Zenner in einem Gedicht geschrieben hat:

 

„So mag am Bosch nun stehen,

der Turm und auch sein Zelt,

zu dem in Lieb` wir gehen,

fest durch die harte Welt!“

 

Helga Müller

 

Quellennachweis:

Festschrift „25 Jahre evangelische Kirche Reisen“ und „Neue Orgel in der evangel. Kirche Reisen“

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